YouTube killed the TV-Star
Sie erreichen täglich Millionen junger Nutzer, organisieren sich in Vermarktungsnetzwerken und haben Cross-Marketing in die eigene Schaffens-DNA übernommen:
„YouTuber“ sind die neuen TV-Stars der jungen Zielgruppe – und traditionelles Fernsehen hinkt bei dieser rasanten Entwicklungen nur hinterher.
Während vor gar nicht mal so langer Zeit Fernsehsender wie ARD, RTL oder ProSieben für Informationsaustausch und Unterhaltung gesorgt haben, sind es in der dynamischen Zielgruppe 14 bis 24 Jahre in Deutschland YouTuber wie der Let’s‑Player Gronkh (4,8 Millionen Abonnenten), der Fußball-Kanal Freekickerz (7,9 Millionen Abonnenten) oder das Tube-Sternchen Dagi Bee, die Nutzer heute vor den Bildschirm locken.
Im Vergleich dazu erreichte eine Sendung wie „Circus Halligalli“ zu Quoten-Hochzeiten gerade mal 990 000 Zuschauer. Und auf YouTube selbst war man mit 35.000 Abonnenten ebenfalls weit abgeschlagen – und das als Flaggschiff ProSiebens für die junge Zielgruppe.
Fast zwei Milliarden eingeloggte Nutzer erreicht YouTube insgesamt im Monat, von denen wiederum eine Milliarde Stunden Videomaterial konsumiert werden – täglich! Lineares Fernsehen liegt mit seinen sinkenden Quoten offenbar im Sterbebettchen.
„TV“ für jeden Geschmack?
Während bei klassischen TV-Sendungen oftmals Themen gemischt werden müssen, um möglichst viele Zuschauer zu erreichen, haben Content Creator auf YouTube die Möglichkeit, in Sphären vorzudringen, die für TV-Sender unerreichbar scheinen: Die Nischen-Themen.
Es gibt eigentlich kein Format, das es nicht gibt. Vom klassischen Make-Up-Tutorial, über Talk-Formate bis hin zu Mathe-Nachhilfestunden haben Nutzer eine schier unendliche Anzahl von Kanälen, die (fast) alle Geschmäcker und Interessen bedienen. Die oftmals trivialen und selten „professionell“ produzierten Clips erreichen so dennoch sehr spitze Zielgruppen und schaffen eine enge Bindung.
Klassisches TV: behäbig und teuer
Neben totgespielten Format-Wiederholungen beim großen Bruder, produzieren YouTuber außerdem schneller, wilder und vor allen Dingen kostengünstiger. Hier gilt das Prinzip „Quick & Dirty“ – hat man eine Idee, wird diese einfach umgesetzt. Altgediente Fernsehanstalten kommen da mit ihren teuren Produktionsapparaten, behäbigen Redaktionsabläufen und starren Zielgruppen-Definitionen nicht mit.
Anpassungsversuche wirken oft hilflos, das Ausspielen des eigenen Contents auf YouTube klappt nur bedingt. Vielmehr sind Personalitys wie Jan Böhmermann oder „Joko und Klaas“ zunächst auf YouTube erfolgreich. TV-Reichweiten der klassischen Sendungen kommen nicht an die View-Zahlen einzelner Internet-Clips heran.
Fernsehen ist nicht mehr allein
Da bleibt natürlich die große Frage: Wird das klassische Fernsehen aussterben? Die Antwort muss „jein“ lauten. Natürlich schafft es YouTube eine gewisse Lebenswelt junger Zielgruppen perfekt widerzuspiegeln. Im Zeitalter von Video on Demand und Streaming-Plattformen wie Netflix oder Amazon Prime ist jedoch auch das Video-Netzwerk nur ein Bestandteil eines neuen, komplexen Nutzer-Verhaltens – das Konsumverhalten wird zunehmend non-linearer.
Und diese Entwicklung hat nur bedingt mit YouTube zu tun. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass wir in Zukunft einen bunten Mix erleben werden: Nach der Schule wird kurz auf YouTube gecheckt, welches Fashionteil morgen auf keinen Fall fehlen darf, nach den Hausaufgaben wird eine Serie a la „Berlin Tag und Nacht“ auf RTL2 geschaut und den Film am Abend gibt es bei Netflix und Co.
Außerdem: eine TV-Welt ohne „Fernsehgarten“ oder „Tatort“ wird auch in Zukunft kaum vorstellbar sein. Denn irgendwann wird auch der treuste YouTuber-Zuschauer einfach mal zu alt für crazy Tanz-Videos oder Mathe-Nachhilfe vom Hipster-Lehrer.
Bild-Credits: stocksnap.io