Beerdigung 2.0
Liest man den Titel, kommt gleich eine Gefühlsmischung auf: Vermutlich irgendetwas zwischen „Oh Gott“, unterhaltsam und befremdlich.
Man kann sich ihnen nicht entziehen, den gesellschaftlichen und persönlichen Tabus Tod, Bestattung und dem Sterben als Dienstleistung.
Man beschäftigt sich nun mal nicht gerne mit diesem Thema und besonders häufig hat man im Zweifelsfall auch in seinem Leben nicht damit zu tun. Doch wenn eine Branche krisensicher ist, dann die Bestattungsbranche. Denn gestorben wird immer. Auch wenn man das gerne verdrängt.
Digitale Revolution in der Dienstleistung
Digital transformiert wurde so ziemlich jedes Business. Viele Dienstleistungen kann man on-demand und direct-to-consumer buchen und in Anspruch nehmen. Massagen, Haarentfernung, Putzhilfen alles ohne Probleme anhand von Bewertungen und transparenten Preisen online vergleichbar und direkt buchbar. Teilweise sogar ohne hierfür einen Anruf tätigen zu müssen.
Doch ein Shopping- oder Buchungserlebnis rund um den Tod? Autsch. Man möchte gleich „Geschmacklos!“ rufen.
Hat doch, im schlimmsten Fall auch noch unterhaltsame, knallige, Werbung, wie in einem Beispiel aus UK, das ein am Strand rennendes Pärchen mit Särgen anstelle von Surfbrettern unter dem Arm zeigt gepaart mit einem „one-way“ und „once-in-a-lifetime“ Slogan, doch sehr wenig mit der Trauer zu tun, die das Ableben nun mal auch mit sich bringt. Doch diese Tabuisierung hat aus Business-Gesichtspunkten dazu geführt, dass sich ein ziemlich intransparenter Geschäftszweig etabliert hat. Eine Liberalisierung des Themas kann also dazu führen, dass man Optionen und Kosten besser vergleichen und abschätzen kann.
Vorreiter Asien
In China sind Anbieter, die mit einem das Sterben noch zu Lebzeiten organisieren, schon länger sehr gefragt. Welche Urne? Welche Blumen? Alles wird ausgesucht und gleich bezahlt.
In der digitalen Selbstoptimierungs-Gesellschaft, die Individualisierung und Planbarkeit großschreibt, verwundert es schon, dass dieses Thema nach wie vor nicht wirklich angegangen wird.
Schließlich will man doch sicher gehen, dass man auch so unter die Erde kommt, wie es zu einem passt und das ohne Zurückgebliebene in den finanziellen Ruin zu treiben. Ein offener Austausch würde auch die Branche transparenter gestalten. Offener Wettbewerb belebt nun mal auch das Geschäft – in diesem Fall zumindest aus Kundensicht.
Enttabuisierung durch kreativ gestaltete Särge
Eine Kampagne des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat mit Särgen gestaltet von Kreativen für Prominente schon mal mit der Enttabuisierung angefangen. Denn die gesellschaftliche Öffnung hin zu auch unangenehmen oder ungewohnten Themen sind Teil unserer Welt. Vielleicht gefällt aber gerade der Gedanke nicht, diese tolle Welt, die man sich aufgebaut hat, verlassen zu müssen. Irgendwie ja auch verständlich. Deswegen hoffen wir natürlich erstmal auf ein langes Leben und auf ein paar coole Marken und Kampagnen, die uns das Auseinandersetzen mit diesem ambivalenten Thema erleichtern werden.